Noch sind die Animationsfilme rar, die als Reaktion auf ‹3/11› zu verstehen sind. Als ‹3/11›, in Anlehung an ‹9/11›, wird im Japanischen im Allgemeinen von der Dreifachkatastrophe mit dem gewaltigen Erdbeben, dem Tsunami und dem davon verursachten Reaktorunfall im Atomkraftwerk Fukushima I gesprochen. In den Werken, die sich mit diesem einschneidenden kollektiven Erlebnis der Nation beschäftigen, ist natürlich zuweilen Wut und Kritik zu spüren, vor allem an der nuklearen Katastrophe, für die nicht die Natur, sondern der Mensch Verantwortung übernehmen muss. Zugleich sind viele der Werke von einer tiefen Stille geprägt. Deren Deutung wird dem einzelnen Betrachter, der einzelnen Betrachterin überlassen. Diese Stille mag Resignation im Anbetracht einer reichlich hilflosen Classe politique, Respekt vor den Urgewalten der Natur oder aber eine buddhistisch geprägte Geisteshaltung zum Ausdruck bringen. Der Buddhismus, der auf das japanische Denken und Fühlen grossen Einfluss ausübt, geht vom Grundsatz aus, dass Leben immer Leiden bedeutet.
Anlässlich der 150-jährigen diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und der Schweiz stellt Fantoche, das renommierte Festival für Animationsfilm, einen Japan-Fokus zusammen. Dieser ist im Rahmen von CULTURESCAPES in verschiedenen Schweizer Städten zu sehen. Der Kurator Nobuaki Doi ist ein führender Experte für japanischen Animationsfilm. Doi nutzt durch die Programmblöcke mit Kurzfilmen die Möglichkeit, auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Japan aufmerksam zu machen. Der Wandel Japans hinterlässt auch im Animationsfilm seine Spuren.
Gezeigt werden Originalversionen. Wo Japanisch gesprochen wird, gibt es englische Untertitel.
‹Never Ending Suffering› (66')
1 ‹Paradiso›, Ryo Hirano, 2014, 21'
2 ‹Pieces of 3.11›, Kotobuki Shiriagari, 2011, 2'
3 ‹663114›, Isamu Hirabayashi, 2011, 7'
4 ‹BELUGA›, Shin Hashimoto, 2011, 6'
5 ‹Two Under the Grayish Sky›, Masataka Hiroyasu, 2013, 9'
6 ‹Generator›, Makino Takashi, 2011, 19'