Krise, Trojka, Schulden, Flüchtlinge, Strand und Antike: Alles vielzitierte Schlagwörter, welche im Zusammenhang mit Griechenland in den letzten sieben Jahren viel zu viel aufgetaucht sind. In oder aus welcher Blase nehmen wir das alles eigentlich wahr? Wie viel hat das noch mit der Wirklichkeit zu tun in der die Menschen vor Ort leben? Und wo positionieren sich die Künstler_innen? In einer eigenen Blase inmitten dieser Utopie-losen Zeit? 2014, zu Beginn der Vorbereitungen 14. Ausgabe von CULTURESCAPES, war Griechenland für uns ein mysteriöses Land, hin- und hergerissen zwischen dem demokratischen Erbe des Altertums, dem romantischen Erbe der „Wiege der westlichen Zivilisation“, dem glorreichen Erbe der Athener Olympischen Spiele von 2004 und den Lasten der Wirtschaftskrise von 2008. Dies war noch bevor die ersten Wellen der europäischen Flüchtlingskrise 2015 die griechischen Küsten trafen. Und all das nahmen wir aus unserer Perspektive als Aussenstehende wahr. Aber wie sah die Sache von „innen“ aus? Wie wichtig war es, dies zu erfahren und wie wichtig ist es noch jetzt, diese interne Perspektive in Erfahrung zu bringen? In welchem Masse beeinflussen politische, wirtschaftliche und kulturelle Einschränkungen die Ansichten der Griechen? Wie sehr wird die Haltung der Aussenstehenden durch Diskurse der Vorherrschaft und Normativität bestimmt?
So ist CULTURESCAPES Griechenland nicht bloss ein Festival zu Ehren Griechenlands und seiner kulturellen Landschaft, sondern vielmehr eine Suche nach den kulturellen Stereotypen auf beiden Seiten dieses Dialogs geworden. Zu einer Suche nach Entfremdungsmechanismen und zu der Herausforderung, sich selbst als den „Anderen“ zu akzeptieren. CULTURESCAPES Griechenland versucht, den Blick jenseits von Darstellungen wie der Titelseite der Zeitschrift Focus von 2010 zu lenken, die die Venus von Milo in einer schmutzigen griechischen Flagge darstellt, während sie den Mittelfinger zeigt. In die heutige griechische kulturelle Landschaft einzutauchen, erfordert die Fähigkeit, zu „verlernen“ allerdings nicht einfach im Sinne des Vergessens, der Überwindung von Stereotypen, Annahmen und des normativen Diskurses über die politische Verantwortung und die wirtschaftliche Selbstständigkeit, die mit Griechenland an sich zusammenhängen. Im Verlernen der scheinbar stabilen und sicheren Grundlagen der sogenannten westlichen Kultur, im Verlernen unserer Art zu lernen, der Art und Weise, sich selbst und den Anderen wahrzunehmen. Die Venus von Milo muss von der schmutzigen Flagge befreit werden und gehört zurück auf den Boden von Milo, wo sie von einem griechischen Bauern ausgegraben wurde, anstatt hell erleuchtet in einem Museum zu stehen. Wir präsentieren Ihnen über zwei Monate ein dichtes Programm mit Theater, Musik, Kunst, Film, Literatur und Kulinarik. Erleben Sie Griechenland, weil nur darüber zu reden, reicht nicht. Letzteres tun wir trotzdem: Vorträge, Denk-Wege, Künstlergespräche und am Ende das Symposion nach platonischem Vorbild, ein philosophisches Gastmahl zu Gunsten der Basler Hilfsorganisation Help For Refugees. Kommen Sie, seien Sie herzlich Willkommen und reichern Sie ihr Bild von Griechenland mit neuen Facetten an.